Geschichte Woche 10
Nach Markus 1,21-28
Na, weißt du noch, in welcher Stadt wir uns befinden? Richtig, Kapernaum hieß die Stadt. Vor wenigen Stunden hat ein besonderes Ereignis begonnen, dass es in Israel jede Woche gab und sogar bis in die heutige Zeit gibt. Dieses Ereignis hieß Sabbat. Komischer Name, oder? Kannst du dir darunter etwas vorstellen? Oder weißt du vielleicht sogar, was da gemacht wird? Nein? Na, dann pass mal gut auf.
Jede Woche hatte sieben Tage, so wie jetzt. Vielleicht hast du schon einmal von der Schöpfungsgeschichte gehört. In sieben Tagen hatte Gott die Welt gemacht, aber am siebten Tag da ruhte er. Und das machte er zu einem der zehn Gebot. Diesen Ruhetag nannten die Israeliten nun Sabbat. Er begann allerdings nicht wie bei uns am Sonntag, sondern am Freitagabend, wenn es dunkel wurde und ging dann bis zum Samstagabend.In dieser Zeit wurde keinerlei Arbeit verrichtet. Also nichts da mit Fischen oder Großputz. Nein, diese Zeit wurde genutzt, um Gott die Ehre zu erweisen, die ihm gebührte. Dabei wurde viel in der Thora gelesen und gut gegessen.
So, wir befanden uns nun schon am Morgen des Sabbattages und Jesus ging in die Synagoge. Das war ein Ort wie die heutigen Kirchen und Gemeinden. Alle Gläubigen versammelten sich dort, um sozusagen eine Versammlung oder einen Gottesdienst, würden wir heute sagen, abzuhalten. Nun, genau dazu machte auch Jesus sich auf den Weg. Er grüßte freundlich, wenn ihm jemand begegnete, den er kannte und lächelte jeden an, der an ihm vorbei ging. Ich muss sagen, das bewunderte ich. Den ganzen Tag friedlich sein, dass konnte ich nicht. Ich konnte mich sehr schnell über alles und jeden Ärgern und vieles fand ich ungerecht. Da konnte ich dann kein fröhliches Gesicht machen. Geht es dir da nicht auch so?
Heute morgen war ich noch ganz schön müde. Weil ich mich gestern so voll gegessen hatte, war es mir schwer gefallen, einzuschlafen. Der Mond war schon ziemlich weit gewandert, als ich es dann doch endlich geschafft hatte, meine Augen zu schließen, ruhig liegen zu bleiben und dann auch eine gleichmäßige Atmung anzuschlagen. Dementsprechend war ich nun heute gelaunt. Mürrisch. Warum musste Jesus nur immer so früh aufstehen? Wie gern hätte ich jetzt noch unter meiner kuscheligen Bettdecke gelegen und von leckeren Köstlichkeiten geträumt. Stattdessen puhlte ich mich aus meinem Lieblingsschlafanzug und steckte meine müden Knochen in meine schöne Sonnabendkleidung.
Bevor Jesus mir entwischen konnte, krabbelte ich auf seinen Schuh und ließ mich so gemütlich in die Synagoge transportieren. Naja, ganz so gemütlich war es vielleicht nicht, aber immer noch besser, als sich selbst zu bewegen. Wenigstens ging Jesus nicht so schnell, dass ich herunterfiel. Schließlich waren wir da. Es war kein all zu weiter Weg. Jesus ging die wenigen Treppenstufen hinauf und trat in das kühle Steingemäuer hinein. Säulen an den Seiten führten bis nach vorn, wo die Schriftgelehrten sich aufhielten. Man könnte sagen, dass waren die damaligen Prediger oder Pastoren. Sie kannten sich sehr gut in den alten Schriften aus, was heute das Alte Testament der Bibel ist.
Nach und nach füllte sich das Gebäude und immer mehr Menschen kamen, um den Schriftgelehrten zu lauschen, die bald anfangen würden. Wie Jesus es geschafft hatte, bekam ich nicht mit, aber plötzlich stand nicht ein Schriftgelehrter dort vorn, um zu reden, sondern Jesus. Und wie er redete. Die Menschen hingen an seinen Lippen. Sie lauschten gespannt, was dieser Mann aus Nazareth zu berichten hatte. Er erklärte den Menschen, die da vor ihm saßen, genau das, was Gott ihnen durch die Propheten schon immer gesagt hatte. Dabei sprach er aber mit solch einer Klarheit und einer gewissen Autorität, die seine Mitmenschen um ihn herum erstaunte. Immer wieder sah ich, wie einer jemand Anderem leicht in die Seite stupste und tuschelte:
„Das ist mal eine Rede. Viel besser als von unseren Schriftgelehrten.“
„Stimmt“,nickte der Andere zustimmend, „du hast Recht. Bei ihm merkt man, dass er wirklich weiß, wovon er redet. Da steckt so viel Persönliches in seinen Worten.“
Stolz reckte ich meinen Körper ein wenig in die Höhe. Ja, so einen tollen und genialen Freund hatte ich. Die Leute bewunderten ihn, sie hörten ihm zu und wenn er sprach, war kaum ein Ton zu hören außer der Natur, die sich immer wieder kurz durch das Rufen der Vögel, das Säuseln des Windes oder dem Plätschern des Sees zu Wort meldete. Irgendwie fühlte ich mich geehrt, dass ausgerechnet ich Jesus begleiten konnte. Und alle Welt sollte sehen, was für einen Freund ich da an meiner Seite hatte.
Moment mal. Aus dem Augenwinkel fiel mir ein Mann auf, der erst jetzt in die Synagoge trat. Etwas an seinem Blick gefiel mir überhaupt nicht. Es hatte so was wildes, ja unheimliches an sich. Jesus musste ihn auch gesehen haben. Also wartete ich unruhig ab, was nun geschehen würde. Da ging es auch schon los. Noch während Jesus redete, fing dieser Man plötzlich an, laut zu schreien, so als könne er das, was Jesus sagte, nicht ertragen. Und dann rief er so laut, dass die Steinwände nur so dröhnten:
„Lass ab! Was haben wir mit dir zu tun, Jesus, du Nazarener? Bist du gekommen, um uns zu verderben? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!“
Oh, oh, das klang nach einer Menge Ärger. Es war ja richtig, dass Jesus ein Nazarener, also ein Mann aus Nazareth war. Und das er der Heilige Gottes war, das stimmte auch. Schließlich war er Gottes Sohn, ohne Fehler und ohne Schuld. Aber zum Verderben war er nicht gekommen. Jesus wollte doch nichts anderes, als den Menschen den Weg zu seinem himmlischen Vater zeigen. Dieser Mann stiftete eindeutig Unruhe. Er wollte wohl, dass sich Jesus aus dem Staub machte und nichts mehr sagte. Ich schaute noch einmal genauer hin. Die Menschen um diesen Mann herum schauten entweder beschämt zur Seite oder so ängstlich auf den Bode. Einige rückten sogar noch dichter an den Nebenmann heran.
Und der Mann? Der stieß weiterhin laute Schreie aus, schlug sich dabei auch noch selbst und wurde immer aufgebrachter. Es war, als könne der Mann die Gegenwart Jesu nicht ertragen. Da begriff ich. Dieser arme Mensch war krank. Er hatte einen bösen, einen unreinen Geist in sich, der von ihm Besitz ergriffen hatte. Nicht der Mann selbst sprach diese Worte, sondern der böse Geist in ihm. Er war ein Werkzeug des Teufels und der ertrug es nicht, in Gottes Gegenwart zu sein. Ich hatte das schon ein paar Mal gesehen, wie die Geister die Menschen quälten. Alles, was sie taten, kam von diesen Geistern. Plötzlich tat mir dieser Mann dort leid. Was hatte er nur getan, dass dieser unreine Geist ihn befallen konnte und er nun hier stand, direkt vor dem Mann, dessen Anwesenheit für den Geist unerträglich war. Jesus, nun tu doch was, dachte ich gerade noch,hilf diesem armen Mann. Das kannst du doch mit Sicherheit. Du bist doch viel stärker als dieser Geist in diesem Mann.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Jesus tat etwas. Er sah den Mann an und sprach befehlend:
„Verstumme und fahre aus von ihm!“
Wie jetzt? Das sollte alles gewesen sein? Ein Satz mit einem Befehl? Von so was ließ sich doch ein Geist nicht beeindrucken. Unsicher schaute ich auf den besessenen Mann und auch die Augen aller anderen Anwesenden richteten sich auf das, was da vor ihren Augen und Ohren geschah. Unter lautem Schreien ruckte der Körper des Mannes von einer Seite zur anderen, so als wolle er sich gegen etwas wehren. Es war schaurig mit anzusehen. Das ging nicht nur mir so. Auch die Menschen standen erschrocken und wie erstarrt da. Sie wussten nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten.
Ein letzter Schrei, ein letzter Ruck und der Mann sackte auf dem kalten Steinboden zusammen und lag dort nun völlig erschöpft. Es herrschte für einen Moment völlige Stille. Doch dann brach das Gerede und Gemunkel unter den unfreiwilligen Zuschauern los. Viele wandten sich einander zu und warfen verstohlene Blicke zu Jesus hinüber. Immer hörte ich Worte, die wie „Vollmacht“ und „Gehorsam“ klangen. Und dann war es schließlich eindeutig zu hören, was die Menge dachte:
„Was ist das? Wer ist das? Was für eine neue Lehre ist dies? Mit Vollmacht gebietet er auch den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm!“
Ja, wussten sie es denn nicht? Verstanden sie es immer noch nicht? Wie viel musste denn noch geschehen, dass sie verstanden, dass hier vor ihnen Jesus, Gottes Sohn, der Messias stand?