Geschichte Woche 15
Nach Lukas 7,1-10
Jesus war nun vom Berg herabgestiegen und machte sich wieder auf den Weg nach Kapernaum. Hier kehrte er immer wieder ein und befand sich dann häufig bei Petrus im Haus. Kapernaum war also so etwas wie eine Anlaufstelle. Wie du dir sicher denken kannst, verlief auch dieser Weg nach Kapernaum nicht ohne Zwischenfälle. Beim letzten Mal erzählte ich dir von dem Aussätzigen, den Jesus wieder rein gemacht hat. Und heute? Nun, heute kamen uns eine Menge Menschen entgegen. Aber von vorn.
Wie gesagt, wir waren alle Mann auf dem Weg in die kleine Stadt. Kaum berührten unsere Füße auch nur den ersten Stein innerhalb der Stadt, da kam uns die Ältesten mit wehenden Kleidern entgegen. Offensichtlich hatten sie es eilig. Auf ihren Gesichtern waren Sorgenfalten zu sehen, die sich ein wenig glätten, als sie Jesus schließlich gegenüberstanden. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie viele es waren. Auf jeden Fall mehr als einer. Gespannt setzte ich mich wieder gerade auf die Schulter des Petrus und versuchte, so viel wie möglich von dem mit zu bekommen, was die Ältesten sagten. Noch völlig außer Atem begann der erste:
„Wir haben in unserer Stadt einen römischen Hauptmann. Er schickt uns zu dir, denn sein Knecht ist schwer krank.“
Der zweite Älteste nickte heftig und ergänzte dann:
„Ja, das stimmt. Er ist wirklich schwer krank. Seit Tagen kann er sich nicht mehr bewegen, liegt wie gelähmt auf seinem Bett und hat schreckliche Schmerzen. Der arme Mann wird sterben, wenn du ihm nicht hilfst.“
Der dritte Älteste hatte seinen beiden Vorrednern zugehört und drehte sich nun auch vollends zu Jesus um. Er faltete die Hände bittend vor seiner Brust und bat inständig:
„Bitte, komm mit uns und heile diesen Knecht. Der Hauptmann ist zwar ein Römer, aber er liebt das Volk Israel. Er hat sogar die Synagoge in diesem Ort bauen lassen. Jeder hier mag ihn und er uns, obwohl er ein Römer ist.“
Ungläubig sah ich die Männer an, die davor Jesus standen und so leidenschaftlich für diesen Hauptmann baten. Ein Römer? Ausgerechnet ein Römer bat Jesus um so einen großen Gefallen? Die Römer, die ich kannte, waren allesamt böse und unterdrückten die jüdischen Männer und Frauen sehr. Sie verlangten viel Geld von ihnen, sodass ihnen kaum etwas zum Leben blieb. Und jetzt war hier einer, der an Jesus glaubte? Ja, der sogar eine Synagoge erbauen ließ für die Juden?
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und stieß verächtlich die Luft aus. Das glaubten diese Männer doch nicht allen Ernstes, oder? Langsam wandte ich meinen Kopf wieder den Männern zu. Hm, es musste wirklich was wahres dran sein. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich die traurigen, mitleidigen und flehenden Augen. So würde man wohl kaum aus der Wäsche schauen, wenn man denjenigen nicht mochte. Also mochten sie den Hauptmann wirklich. Aber, wenn Jesus nun zu diesem Mann gehen und das Haus betreten würde, dann würde er sich verunreinigen. So waren die Gesetze. Ich öffnete wieder meine Augen und wartete ebenso gespannt wie die Ältesten der Stadt auf Jesus Antwort. Jesus nickte und sagte:
„Ich komme mit euch.“
Erleichtert traten die Ältesten zur Seite, um Jesus Platz zu machen und führten ihn dann auf direktem Wege zu dem Haus des Hauptmannes. Auf dem Weg dorthin grübelte ich über das Unrein sein nach. Schon letztes Mal hatte Jesus sich nicht gescheut, unrein zu werden. Er hatte das Risiko in Kauf genommen und nun tat er es schon wieder, weil er es wagte, einem Römer zur Hilfe zu kommen, einem Feind der Israeliten. Dieser Jesus war wirklich erstaunlich, stellte ich wieder einmal fest.
Wir waren nun schon nicht mehr so weit entfernt, das kamen uns wieder drei, oder waren es doch vier, Männer entgegen geeilt. Sie waren nicht so außer Atem wie die Ältesten zuvor, doch ihre geröteten Wangen wiesen daraufhin, dass auch sie sich um Schnelligkeit bemüht hatten, wenngleich ihr Weg auch nicht so weit gewesen war. Sie redeten auch nicht um den heißen Brei herum. Sofort begann der erste Mann zu reden:
„Wir sind Freunde des Hauptmanns. Er hat uns losgeschickt um dir zu sagen, dass er es nicht wert ist, dass du sein Haus betrittst. Stattdessen weiß er, dass du nur ein Wort sagen musst und schön wird sein Knecht gesund sein.“
„Deshalb ist er auch nicht selbst gekommen, da er sich nicht für würdig erachtet, vor dich zu treten.“,ergänzte ein anderer. „Er selbst ist Befehlshaber über hundert Männer und weiß genau, dass ein Wort ausreicht, um seine Männer zu befehligen. So wird auch ein Wort von dir genügen, denn du herrschst über allem.“
Meine Augen wurden ganz groß vor Staunen, als ich hörte, was diese Männer vom Hauptmann sagten. Zum einen wollte er nicht, dass sich Jesus verunreinigte. So sehr achtete er Jesus also. Und dann glaubte er auch noch aus tiefstem Herzen, dass ein Wort von Jesus ausreichen würde, um den Knecht zu heilen. Donnerwetter, das war mal ein Mann. Ich hoffte, Jesus würde diesem Hauptmann und seinem Knecht helfen. Ich sah Jesus an, dem das Erstaunen über die Worte dieser Männer ebenso ins Gesicht geschrieben stand wie mir. Ja, sogar Jesus konnte über Menschen erstaunt sein. Es klang innerlich sehr bewegt, als Jesus sich an all die Menschen wandte, die wieder einmal um uns herum standen und uns gefolgt waren.
„Ich sage euch, einen solch großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.“
Hui, da sagte Jesus was. Eine riesige Traube an Menschen folgte ihm, lauschte ihm und hoffte auf ihn und trotz allem war ihm bisher noch kein Israelit begegnet, der so sehr glaubte, wie dieser römische Hauptmann. Eigentlich war das eine Anklage, wenn man es recht bedachte. Hoffentlich gab das keinen Ärger. Aber Jesus war noch nicht fertig. Er sprach weiter:
„Es werden einmal die Heiden aus dem Osten und aus dem Westen im Reich Gottes sein und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen. Aber viele der Israeliten werden dort landen, wo das Heulen und Zähneklappern sein wird.“
Oh man, das waren mal heftige Worte. Ich wusste, dass in den Synagogen oft gelehrt wurde, dass das Himmelreich Gottes für die Juden bestimmt sei. Aber dem hatte Jesus hier nun gerade eine Absage erteilt. Die Heiden, wie die Israeliten alle nannten, die nicht aus dem Volk Gottes waren, sollten ebenso das Reich Gottes erben. Diese Aussage goß nun natürlich einiges Öl ins Feuer. Wenn das mal nicht bald krachte zwischen Jesus und den Gelehrten der Israeliten.
Jesus drehte sich nun ohne weitere Worte um und wandte sich an die Freunde des Hauptmanns.
„Geht zurück zum Hauptmann und antwortet ihm, dir geschehe, wie du geglaubt hast.“
Oh, da musste ich unbedingt hin. Ich wollte doch sehen, wie die Heilung vonstatten ging, ohne das Jesus dabei war. Also sprang ich schnell von Petrus‘ Schulter, rabbelte mich vom Boden auf und lief schnell zu einem der Freunde. Oh nein, er setzte sich schon on Bewegung. Dabei hatte ich doch noch gar keinen Halt. Warte mal, guter Mann, ich bin gleich so weit, rief ich und ruderte wie wild mit meinen Armen, um nach Halt zu suchen.
Im letzten Augenblick erwischte ich den Rockzipfel des Mannes. Da hing ich nun. Das ich aber auch immer so neugierig sein musste und mich immer wieder in solche Abenteuer stürzte. Nun gut, dann musste ich mich halt hochziehen und den Schwung des Kleidungsstückes nutzen, um meine Beine als Unterstützung zu bekommen. Schließlich umklammerten sowohl meine Beine, als auch meine Arme den Stoff. Angestrengt nach Luft japsend hielt ich mich fest. Mann oh man, war das eine Schaukelei. Warum musste dieser Mann auch so schnell laufen? Gut, er hatte eine Botschaft zu übermitteln. Konnte ich verstehen, aber der Stoff schlug ständig an die Beine des Mannes und schleuderte mich mit voller Wucht dagegen. Mir wurde schon ganz schwindelig von diesem ganzen Gerüttel. Endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt der Mann an und ich rutschte langsam am Gewand hinunter. Meine Arme schmerzten und mein Kopf brummte. Aber was ich sah, ließ mich schnell wieder zur Besinnung kommen. Dieses Haus war sehr schön und ließ keinen Zweifel daran, dass es dem Hauptmann gut ging. Emsig eilten die Diener und Mägde des Hauses hin und her, während sie immer wieder tuschelten.
„Hast du es schon mitbekommen?“,fragte ein Knecht, der am Eingang den Boden kehrte, den Mann, an dem ich mich gerade so sehr festgehalten hatte. Dieser schüttelte den Kopf und sagte:
„Nein, was denn? Beeile dich, ich muss dem Hauptmann etwas wichtig sagen.“
Auch die anderen Männer, die vorhin bei Jesus gewesen waren, hielten an und wollten wissen, was passiert war. Also beeilte sich der Knecht und sagte:
„Der schwerkranke Knecht, weshalb der Hauptmann so aufgewühlt ist, er ist gerade eben wieder gesund geworden. Auf einmal. Plötzlich war das Fieber weg und er konnte sich wieder bewegen. Jetzt gerade isst er eine stärkende Suppe.“
Die Freunde des Hauptmannes schauten sich staunend an. Sie begriffen natürlich sofort, dass es geschehen sein musste, als Jesus gesagt hatte, dass dem Knecht geschehen solle, wie der Hauptmann geglaubt hatte. Wieder einmal hatte Jesus bewiesen, dass er allmächtig war. Er war Herr über Krankheit und deshalb reichte auch nur ein Wort aus. Und ich? Mein Staunen wuchs mit jedem Mal mehr und ich freute mich schon jetzt auf das nächste Abenteuer, das uns erwartete.