Geschichte Woche 22
Nach Markus 7,31-37
Mir schwirrte der Kopf. So viel war hier los. Ein Mensch nach dem anderen kam zu Jesus und die Menge, die uns folgte, war auch nicht gerade klein. Sie wuchs von Tag zu Tag. Egal, wo Jesus hinging, allein war er fast nie. Inzwischen befanden wir uns wieder auf dem Weg zum See Genezareth. Wir kamen durch mehrere Städte hindurch, wo sich die Menschenmenge noch mehr vergrößerte.
Oh man, ich war so erschöpft. Die Sonne schien unbarmherzig auf uns herab, die Menschen schnatterten wie wild gewordene Gänse miteinander und der Hunger quälte mich, da ich seit dem frühen Morgen nichts mehr zu mir genommen habe. Wie sollte ich diesen Tag nur überstehen. Da hinten konnte ich das Wasser des großen Sees schon in der Sonne glitzern sehen. Juhu, das Ende eines langen Tages war in Sichtweite. Endlich was ordentliches Essen. Welch ein Genuss das werden würde. Ich rieb mir den knurrenden Bauch und träumte mit offenen Augen von den leckersten Speisen, die ich kannte.
Aber da vorn, ziemlich weit vor uns auf dem Weg, da bewegte sich doch etwas. Wartete da etwa wieder Arbeit auf Jesus? Ich kniff meine Augen eng zusammen, um besser sehen zu können. Aber ich konnte nicht erkennen, wer oder was es war. Die Entfernung war einfach noch zu groß. Trotzdem behielt ich die wackelnden Punkte im Blick und konzentrierte meinen Augen darauf.
Je näher wir dem See Genezareth kamen, umso besser konnte ich die wackelnden Punkte am Horizont als eine kleinere Menschenmenge ausmachen, die uns langsam entgegen kam. Na gut, dann musste wohl das leckere Abendessen noch ein wenig warten. Scheinbar kam eine neue spannende Herausforderung da auf Jesus zu.
Als hätte ich es geahnt, waren die Menschen hocherfreut, als sie Jesus mitsamt der Menschenmassen entdeckten, die ihnen entgegen kamen. Nun schritten auch sie schneller voran und schienen ein Menschen in ihrer Mitte besonders anzuspornen. Schließlich standen wir uns gegenüber und Jesus ließ seinen Blick liebevoll über die Menschen gleiten.
Da standen sie nun und blickten Jesus sehnsüchtig an. Dann fiel ihnen scheinbar ein, warum sie überhaupt aufgebrochen waren. Sie drehten sich ein wenig und schoben einen Mann nach vorn, der Jesus ohne ein Wort zu sagen gegenüberstand. Seine dunklen Augen flehten Jesus an, aber nicht ein Wort kam über die Lippen. Mit einigen Gesten versuchte er, seine Situation zu schildern. Dabei entwichen ihm kehlige Laute, aus denen allerdings keine Worte entstanden. Da dämmerte es mir.
Dieser Mann war taub und stumm. Er konnte nichts hören und aus diesem Grund auch nicht reden. Bestimmt wollte er aber beides wieder können. In diesem Augenblick begann einer der Frauen und Männer zu reden. Ich nahm an, es handelte sich bei seinen Begleitern um seine Freunde und Verwandten.
„Jesus, wir haben schon so viel von dir gehört. Viele hast du schon geheilt. Bitte, lege doch diesem Mann die Hände auf. Dann wird er wieder gesund und kann hören und sprechen.“
Jesus sah den Mann an und ergriff seinen Arm.
„Komm mit mir.“
Mit diesen Worten führte er den Mann ein wenig abseits von den vielen Menschen, die ihn umgaben. Dieser taubstumme Mann hatte ein Privileg, dass nicht viele genießen durften. Er war mit Jesus allein. Fernab von all dem Trubel und störenden Zuschauern. Da standen sie nun. Jesus hob seine Hand und legte die Finger an die kranken Ohren des Mannes. Die Zunge des Mannes berührte er mit Speichel, so als wolle er ihm auf seine ganz eigene Art und Weise sagen, dass er ihn wieder gesund machen wollte.
Dann wanderte sein Blick zum Himmel empor, hinauf zu seinem Vater und ein Seufzer entwich seinen Lippen, bevor er in Richtung des Taubstummen sagte:
„Ephata!“
Ich kramte in meinem Kopf und überlegte, was diese Worte wohl heißen mochten. Da fiel es mir wieder ein. Er hatte der Zunge und den Ohren mit einem Wort befohlen, sich aufzutun. Sie sollten also wieder funktionieren und ihre Tätigkeit ausüben, für die Gott sie gemacht hatte. Und ja wirklich, kaum hatte Jesus die Worte gesagt, begann der Mann zu sprechen.
Es waren nicht irgendwelche Laute, die da aus seinem Mund kamen, sondern richtige Worte. Ganze Sätze bildeten sich und unendliche Dankbarkeit überschüttete Jesus. Doch Jesus schärfte ihm ein, zu schweigen, wie schon so oft, in den letzten Tagen. Ich ahnte schon, was daraus werden würde.Je mehr Jesus die Menschen ermahnte, zu schweigen, umso mehr redeten sie über das, was mit ihnen geschehen war und welches Wunder sie erlebt hatten. Sie staunten über all das und sagten zueinander:
„Er hat alles wohl gemacht. Die Tauben macht er hörend und die Stummen redend.“
Genau so war es. Und weißt du was? Das erinnerte mich an etwas, das ich mal in der Synagoge gehört hatte, als aus den alten Schriften vorgelesen worden war. Da war von einem Propheten Jesaja die Rede gewesen, der sagte, dass dies alles der Messias an Zeichen tun wird und daran zu erkennen sein wird.
Also, wenn jetzt nicht alle wussten, wer hier vor ihnen stand, ja, dann war ihnen auch nicht mehr zu helfen, fand ich.