Geschichte Woche 21
Nach Matthäus 9,27-35
Erinnerst du dich noch an das kranke Mädchen, dass Jesus wieder lebendig gemacht hat? Die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus? Sehr gut, denn die heutige Geschichte geschah in der Zeit danach. Kaum hatte Jesus das Haus des Jairus verlassen, folgten ihm zwei Menschen. Ihre Hände hatten sie vor sich gestreckt und versuchten so, den vielen Hindernissen auf ihrem Wege auszuweichen. Mir wurde klar, diese beiden Männer konnten nichts sehen. Sie waren blind.
Als ich das erkannte, taten mir die beiden Männer leid. Sie konnten die Welt nicht sehen. Klar, die Geräusche und die Gerüche der verschiedenen Blumen waren wahrnehmbar, aber ihre bunten Kleider blieben den Männern verwehrt. Das in der Sonne glitzernde Wasser, die sich verwandelnden Wolkenformationen, das saftig grüne Gras. All das war für diese beiden Männer nicht sichtbar. Sogar ihre Mitmenschen konnten sie nicht sehen. Hätten sie ihre Hände nicht vor ihrem Körper, würden sie ohne jeden Zweifel ungebremst in jeden hinein laufen, der sich auf ihrem Weg befände. Jeder Baum, jeder Strauch, ja,sogar jedes Haus wäre ein Hindernis, dass ihnen Schaden zufügen könnte.
Die beiden blinden Männer waren nicht die einzigen, die uns folgten. Die Menschen um sie herum rempelten sie immer wieder an, ohne sich zu entschuldigen oder sie überhaupt zu beachten. Meine Stirn legte sich in Falten vor Ärger. Diese ungehobelten …..mir fiel vor Wut kein Wort ein, das ich nennen könnte. Also ließ ich es lieber und hob jedes Mal erbost meine Faust, wenn wieder einmal einer es wagte, die beiden Männer aus dem Tritt zu bringen. Da..schon wieder. Also jetzt reichte es wirklich. Beinahe wäre einer der beiden gestürzt, hätte der andere ihn nicht noch halbwegs abgehalten. Ihr Gesichtsausdruck gewann immer mehr an Verzweiflung und sie begannen zu rufen. Ich konnte es zuerst nicht richtig verstehen, weil die Menschen um uns herum zu laut waren, aber dann irgendwann vernahm ich ihre Worte recht klar und deutlich:
„Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich über uns.“
Sie wiederholten ihre Worte, so oft sie konnten. Einige der umstehenden Leute drehten sich empört um und funkelten sie an. Andere pressten ein „Seid still“ zwischen ihren zusammengekniffenen Lippen hervor. Das war doch einfach die Höhe. Wieso reagierte Jesus denn nicht? Ich konnte sehen, dass er sie hörte und auch das Verhalten der Mitmenschen blieb ihm nicht verborgen.
Schließlich kehrten wir wieder in ein Haus ein. Die zwei blinden Männer hatten es irgendwie geschafft, näher an uns heran zu kommen und folgten uns auch in das Haus hinein. Sie drängten weiter nach vorn, bis sie bei Jesus standen, der sich weiter abseits im Haus befand. Wieder sagten sie:
„Sohn Davids, erbarme dich über uns.“
Jesus sah die Männer an und stellte ihnen dann eine Frage:
„Glaubt ihr, dass ich das kann?“
Interessante Frage. Ich wusste, dass er es konnte. Schließlich hatte ich es schon so oft mitbekommen und mit meinen eigenen Augen gesehen. Diese Männer hier hatten sicher auch schon davon gehört, aber ihre Augen hatten nicht gesehen, ob es stimmte, was sich in den Straßen ihrer Stadt so erzählt wurde. Und trotzdem sprachen sie Jesus mit dem Titel „Sohn Davids“ an. Sie hatten anscheinend begriffen, dass Jesus der Messias war, wenn sie schon wussten, dass dieser vor ihnen Stehende ein Nachkomme Davids war, wie versprochen. Ihre Antwort auf Jesu Frage erstaunte mich dennoch ein wenig.
„Ja, Herr.“
So schlicht und doch entstammte ihnen ein tiefer Glaube, der sie erfüllte und sie die Strapazen der letzten Minuten hatte in Kauf nehmen lassen. Mit vor Ehrfurcht gesenkten Köpfen standen sie vor Jesus und warteten, was nun mit ihnen geschehen würde. Jesus sah sie an und hob dann seine Hand. Er berührte ihre Augen. Kaum war das geschehen, blinzelten die beiden Männer mit ihren Augenlidern. Das Licht blendete ihre zuvor in Dunkelheit lebenden Augen, sodass es eine Weile dauerte, bis sie sich daran gewöhnt hatten. Aber dann strahlten sie überglücklich ihren Heiler an und wussten gar nicht, was sie sagen sollten vor Freude. Das übernahm dann Jesus. Er schärfte ihnen ein:
„Seht zu, dass es niemand erfährt.“
Die Männer nickten eifrig, aber in ihren Augen konnte ich sehen, dass sie es nicht eine Sekunde aushalten würden, ohne die frohe Nachricht bekannt zu machen. Jesus sah es wohl auch, als er den davon stürmenden Männern hinterher sah.
Kaum waren die beiden Blinden aus dem Haus gestürzt,wurde ein anderer Mann hereingeführt. Dieser Mann war auch krank, dass war auf den ersten Blick zu sehen. Sein Blick war wirr und die Haare unordentlich. Über seine Lippen kam kein einiges Wort, auch wenn sein Mund sich bewegte. Der Mann war also stumm und dazu noch besessen. Jesus musste gar nicht erst nachfragen, um zu wissen, was dieser Mann gern gehabt hätte oder seine Familie. Er erbarmte sich über diesen Mann und trieb den bösen Dämon aus, der ihn quälte. So bald Jesus das getan hatte, sprach der Mann seine ersten Worte. Sie waren voller Dankbarkeit.
Die Menschen, die das miterlebt hatten, redeten miteinander und sprachen zueinander:
„So etwas haben wir noch nie erlebt. Hier ist jemand, der sogar Dämonen austreiben kann.“
Aber da fiel mein Blick auf ein paar Pharisäer, die sich auch im Haus aufhielten. Sie mischten sich unter die Leute und sagten:
„Pah, ihr glaubt, ihr seht hier jemand besonderen. Dieser Mann hat einen Bund mit dem Teufel geschlossen und treibt nun mit seiner Hilfe die Dämonen aus.“
Also, das durfte doch nicht wahr sein. Auch sie hatten doch mitbekommen, was Jesus genau tat. Es war unübersehbar. Hey, Jesus, willst du nicht auch mal was dazu sagen? Nur ein paar Worte würden doch ausreichen, um das richtig zu stellen.
Ob ihr es glaubt oder nicht, Jesus sagte nichts dazu oder dagegen. Nein, er entkräftete es einfach dadurch, dass er in der gesamten Gegend jede Krankheit, jeden Besessenen heilte und befreite. Seine Taten waren sein Zeugnis.