Geschichte Woche 16
Nach Lukas 8,22-25
Nun ist es wieder so weit. Ein neuer Sonntag ist angebrochen und ich erzähle dir nun, wie es mit Jesus weiter ging. Nachdem Jesus nun den Knecht des Hauptmannes von Kapernaum geheilt hatte, folgte uns die Menschenmenge weiterhin. Es war aber auch egal, was er machte, sagte oder was er tat. Immer mehr Menschen versammelten sich um uns herum. Wenn ich nicht schon so erschöpft gewesen wäre, dann hätte ich mich vermutlich mehr über diese Massen an Menschen geärgert. Aber inzwischen war ich so müde, dass ich selbst dafür keine Kraft mehr hatte. Wie ein Schluck Wasser hing ich da auf der Schulter eines der Jünger. Ich konnte noch nicht mal sagen, wer genau es war. Mein Bauch lag auf dem Obergewand, mein Kopf hing erschöpft am Brustkorb des Jüngers, die Füße am Rücken der Person.
Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erledigt ich war. Ich seufzte schwer, während der Tag sich langsam zu Ende neigte. Waren diese Menschen denn gar nicht müde? So lange zuhören ging doch auf Dauer auf das Gemüt. Also, ich hatte schon das meiste wieder vergessen von dem, was Jesus gesagt hatte. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen mit einem goldenen Funkeln auf die Erde hinab, während sie selbst nur noch wie ein kleiner glühender Fleck am Horizont zu erkennen war. Ich hörte, wie Jesus und die Jünger begannen, die Menschen zu verabschieden und nach Hause zu schicken. Na endlich, dann konnten meine müden Gliedmaßen zu ihrer wohlverdienten Nachtruhe antreten. Wie sehr sehnte ich mich nach meinem Bettchen, das bestimmt schon mollig warm war und auf mich wartete. Aber in dem Moment wurden alle meine Träume zerstört. Jesus wandte sich an die Jünger und sagte:
„Lasst uns in das Boot steigen und ans andere Ufer fahren. Dort ist es ruhiger, denn es sind keine großen Städte.“
Oh nein, nicht noch länger unterwegs sein. Ich wollte doch nur noch schlafen. Mehr nicht. ZU meinem großen Bedauern machten die Jünger und Jesus ihren Plan wirklich war. Sie nahmen eines der Boote, die dort am Seeufer standen und einer nach dem anderen stieg ein. Die letzten beiden schoben das Schiff vollends ins Wasser und schon schwammen wir auf dem Wasser. Na gut, wenn schon nicht das eigene Bett, dann eben dieses Schiff. Jesus hatte es sich im hinteren Teil des Schiffes bequem gemacht und legte sich gerade hin.
Perfekt, das war meine Gelegenheit. Ich rappelte meine müden Knochen zusammen, nahm das letzte bisschen Kraft und kletterte auf das Brett, auf dem Jesus lag. Schnell legte ich mich an den Bauch von Jesus und zog das Obergewand über meinen Körper. Oh ja, so ließ es sich gut einschlafen. Wohlig seufzend schloss ich meine Augen. Der Schlaf holte mich auch schnell ein. Süße Träume von leckerem Essen begleiteten mich, bis ich plötzlich abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde. Hey, wer zog denn an meiner Decke? Nein, hiergeblieben, Decke, mir ist so kalt. Nicht schon wieder.
Konnte man denn nicht mal eine Stunde in Ruhe schlafen? Ich nahm noch vollkommen verschlafen wahr, dass ein raues Lüftchen wehte. Die Sonne war inzwischen untergegangen und dunkle Wolken hingen am Himmel. Richtig bedrohlich schauten sie auf uns hinab. Mir war fast, als hätten sie böse funkelnde Augen und grimmig zusammen gezogenene Augenbrauen. Sie schienen uns zu zu rufen: Ihr werdet noch euer blaues Wunder erleben.
Oh, oh, was kam denn da auf uns zu? Jetzt konnte ich natürlich auch nicht mehr schlafen. Ich setzte mich aufrecht hin und umklammerte mit vor Schreck geweiteten Augen das Brett, wo Jesus immer noch schlief. In diesem Moment ergriff eine Welle das Boot. Laut ächzend schob es sich in die Höhe und klatschte anschließend hart auf dem Wasser auf, als die Wassermassen das Boot passiert hatten. Der Wind peitschte das Wasser zusätzlich in die Höhe. Eine Welle nach der anderen drückte sich unter dem Bootsrumpf entlang und quälte das hölzerne Gefährt zusätzlich. Die Knöchel meiner Finger waren schon ganz weiß, so fest krallten sie sich um das Brett. Am liebsten hätte ich die Wellen nicht aus den Augen gelassen, um mich auf jede Erschütterung gut einstellen zu können. Die Jünger sahen mit dem gleichen Entsetzen auf das Wasser, das sich unter dem Wind aufbäumte.
Wie sollte unser Boot diesem Sturm und den Massen aufgewühlten Wassers standhalten? Was machte eigentlich Jesus? Vorsichtig drehte ich meinen Kopf zur Seite und riss den Mund vor Staunen auf. Jesus lag auf dem Brett und schlief immer noch. Der Sturm tobte und Jesus schlief? Wie konnte er nur? Das war doch ein unheimlicher Lärm und ein Geschaukel. Ich schüttelte verwundert den Kopf und wandte mich dann wieder den Jüngern zu. Der Sturm hatte das Wasser nun so aufgepeitscht, dass die Wellen kreuz und quer über dem Boot nieder gingen und sich an den Seitenwänden brachen. Dadurch drang das Wasser nun stetig in das Innere ein. Die Füße der Jünger standen schon bis zu den Knöcheln im Wasser. Einige begannen, mit ihren Händen das Wasser aus dem kleinen Wasserfahrzeug zu schaufeln, aber das war vergebliche Mühe. Kaum war eine Hand voll Wasser draußen, schwappte die doppele Menge wieder hinein.
Auf den Gesichtern zeichneten sich langsam nicht nur Stress, sondern auch Verzweiflung und Entsetzen ab. Die Zähne fest zusammen gepresst und die Augen verengt, um sie vor dem Spritzwasser zu schützen, arbeiteten die Jünger gemeinsam. Doch es half nichts. Schließlich erhob sich einer. Ich konnte nicht erkennen, wer es war. Mühsam hielt er sich an allem fest, was ihm gerade Halt bot, während er zu Jesus wankte. Er rührte ihn an und rüttelte ihn leicht:
„Jesus! Jesus, wach auf.“
Dieser rührte sich immer noch nicht. Wieder probierte er es, bis es schließlich funktionierte und Jesus erwachte. Er setzte sich auf, während die Jünger laut gegen den Wind riefen:
„Wie konntest du nur bei diesem Sturm schlafen? Das Wasser läuft in das Boot und du merkst noch nicht einmal was davon. Wir kommen hier um und du schläfst.“
Ich sah in Jesus Augen etwas, das ich nicht ganz zuordnen konnte. War es Traurigkeit? Oder Enttäuschung? Er sah die Jünger an, blickte auf die tosende See und stand auf. Mit lauter Stimme rief er in den Wind hinein:
„Schweig. Werde still.“
Du wirst es vermutlich nicht glauben können, aber es geschah wirklich. Von einem Moment auf den anderen war Ruhe. Der Wind hörte sofort auf zu wehen, das Wasser wurde ruhig und von einem Sturm war nichts mehr zu merken. Ich schlug mir vor Staunen die Hände an den Kopf und sah fassungslos auf das noch bis eben tobende und keifende Wasser, dessen Oberfläche nun so ruhig lag, als wäre nichts geschehen.
Jesus wandte sich nun an die Jünger, die mindestens genauso aus der Wäsche schauten wie ich.
„Oh ihr Kleingläubigen. Wo ist euer Vertrauen? Es gibt doch nichts, wovor ihr Angst haben müsst. Ich bin doch da. Glaubt ihr etwa nicht?“
Beschämt und ehrfürchtig zugleich sahen sich die Jünger an und gingen wieder an die Arbeit. Schließlich befand sich noch eine Menge Wasser im Bauch des Schiffes, das beseitigt werden musste. Dabei hörte ich sie miteinander murmeln:
„Wer außer Gott kann so etwas? Selbst der Wind und die Wellen gehorchen ihm und er sagt nur ein Wort.“
Ja, so groß und so mächtig war Jesus. Aber wussten sie es denn immer noch nicht? Jesus war doch Gottes Sohn, der Messias.